Die Juni Lektüre 2011 von Celia Martin: Tutti Frutti in Italien

Manche Dinge ändern sich erfreulicherweise nie bei unseren Nachbarn südlich der Alpen. Die besondere Fertigkeit, das beste Speiseeis der Welt zu kreieren oder einen weichen, aromatischen Espresso zu brühen, beispielsweise. Dazu kommt das weiche Licht, das an Nachmittagen die Seele so leicht sein lässt; ein gewichtiger Grund für mich, immer wieder hinzufahren.

Wie ich kürzlich wieder feststellen konnte, trotzt auch das italienische Fernsehprogramm hartnäckig allen Veränderungen. Man liebt dort nicht nur Derrick, Liebeschmonzetten und grelle Historienfilme, sondern auch Shows, deren Inhalt mit dem Schlagwort „Tutti-Frutti“ allgemein bekannte Assoziationen wecken.

Höchst bedenklich fanden dabei nicht nur Moralapostel und Feministinnen schon immer die Nachmittagsshows. Ein bunter Reigen junger Frauen, die alle aus der gleichen Schablone zu stammen scheinen, zeigt dort, was man unter einem italienischen Nachmittag versteht. Sie haben nicht viel an und nicht viel zu sagen, dafür müssen sie dem bestimmten Schönheitsideal entsprechen, das im italienischen Fernsehen üblich ist. Ich hatte also das zweifelhafte Vergnügen, in einem Eiscafé eine dieser Unterhaltungsshows verfolgen zu müssen, weil sie lautstark aus dem riesigen Bildschirm an der Wand auf die zu Zuschauern degradierten Cafébesucher niederprasselte. Präsentiert von einer blonden Moderatorin, die insgesamt viel und herzlich lachte, wurden junge Mädchen präsentiert, denen die unterschiedlichsten Rollen zufielen. Eine der weiblichen Gäste musste sich von einem sogenannten Schönheitsexperten rohe Fische auf die Lippen und die Stirn binden lassen. Als wäre das noch nicht genug, wurden ihr dazu noch Schnecken auf Schenkel und Bauch gesetzt, die sich im Laufe der Sendung langsam und schleimig in Großaufnahme über den Körper der jungen Frau bewegten. Sinn dieser Prozedur war es wohl, die Haut zu straffen. Oder eine besondere Anregung für Hobbyanglerinnen und –gärtnerinnen? Wer weiß das schon genau.

Während die Kriechparade in vollem Gang war, schaltete man schon zum nächsten weiblichen Gast weiter. Diese junge Frau kicherte ununterbrochen. Kein Wunder, hatte sie doch einen Miss-magliata-bagnata-Wettbewerb gewonnen. Auch als Wet-T-Shirt-Wettbewerb bekannt. Häufige Einblendungen der Veranstaltung zeigten dann auch Ausschnitte aus diesem erstaunlichen Bereich menschlichen Treibens. Sehr junge Frauen tanzten in sehr nassen und durchsichtigen T-Shirts in den starken Zoom eines Kameramanns unter einer Dusche und Schaumwerfern herum. Es ging dann mit ähnlichen Themen so weiter. Leicht bekleidete und dabei an strategischen Stellen üppig getunte junge Frauen präsentierten sich auf eine Art und Weise, die keinen Zweifel darüber aufkommen lässt, warum in Italien der Machismo noch immer die Sportart Nummer 1 bei den Männern ist.

Klar, diese Shows gibt es seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, sie sind ein fester Bestandteil der italienischen Fernsehkultur. Fragt man nach, schaut sie natürlich niemand. Aber dieses Phänomen ist ja auch hierzulande in einigen Bereichen hinlänglich bekannt … Ach ja, natürlich gibt es diese Art von Sendungen auch am Abend. Da legt der Programmgestalter noch eine Schippe drauf, die Kostüme werden winziger und die Texte schlüpfriger. Frauenverbände protestieren seit jeher vergeblich gegen diese Art der Darstellung von Frauen in den Medien. Doch alles Moralisieren ist sinnlos, diese Shows gehören hier einfach dazu. E basta!

Darauf noch ein Gelato und einen wundervollen Espresso im sanften Nachmittagslicht, aber vorsichtshalber in dem Teil des Cafés, in dem wir vor dem Bildschirm sicher sind. Zuviel Tutti Frutti könnte sonst womöglich doch zu Verdauungsschwierigkeiten führen.

 

Veröffentlichung – auch auszugsweise – nur mit Genehmigung der Autorin.
(c) Celia Martin

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